Ein Geduldiger ist besser denn ein Starker.
Salomo
Im Spielkartenmuseum Leinfelden bei Stuttgart gibt es einen Spielalmanach aus dem Jahre 1798, in dem zum ersten Mal das Wort Patience auftaucht. Offensichtlich handelt es sich bei der Beschreibung aber um ein Spiel für mehrere Personen und nicht um eine Patience, wie sie uns heute geläufig ist. Die Herkunft der Patiencen, die ein Spieler für sich allein spielt, ist nicht genau auszumachen. Es scheint so, als ob die Patiencen erst nach Deutschland „einwanderten“. Auf England als Ursprungsland deutet das dortige frühe Erscheinen von Patiencebüchern, auf Frankreich als Mutterland weist möglicherweise der Name hin. Auch die Frage, wer Patiencen zuerst gespielt hat, kann nirgends beantwortet werden. Immer wieder taucht die Behauptung auf, daß Gefangene die Eintönigkeit ihres Kerkerlebens damit überwinden wollten. Es sind aber Zweifel angebracht, wenn man an die Haftbedingungen von vor 150 Jahren denkt, wo einerseits harte Arbeit zu den Strafen gehörte und andererseits jede Form von Eigenleben verboten und unmöglich war. Im Zusammenhang mit Patiencen wird auch häufig der Name des französischen Kaisers Napoleon I. genannt. Es geht die Legende, er habe sie vor schweren Entscheidungen als Orakel benutzt und sie in seiner Verbannung zum Zeitvertreib gespielt. Aber es ist durchaus nicht erwiesen, daß er als Erfinder der Patience gelten kann.
Außer Napoleon zeugen andere bekannte Namen davon, daß Patiencen für berühmte Personen ein beliebter Zeitvertreib waren: Metternich, Moltke und Bismarck. Sie verhalfen den Patiencen zu hohem Ansehen und erlebten das Erscheinen der ersten Patiencebücher mit, die die interessante Alleinunterhaltung mit Spielkarten weiter verbreiteten. Um die Jahrhundertwende gab es eine Patience-Blütezeit, die allerdings dadurch Einschränkung erfuhr, daß man Patiencespielen den Damen zuordnete, die ihre Langeweile damit überbrückten. Diese Einschätzung haftet Patiencen heute in keiner Weise mehr an. Alle diejenigen, die zum Patiencespielen fanden, wissen um die hervorragenden Eigenschaften, die ihm innewohnen: Das Spiel mit 52 oder 104 Karten kann sowohl Ablenkung verschaffen wie Anregung bedeuten. Die reiche Auswahl von Spielvariationen ermöglicht es jedem Spieler, sich den Schwierigkeitsgrad seiner Patience nach seiner augenblicklichen Stimmung auszusuchen. Es gibt leichtere und schwierigere Patiencen, solche, die nur auf die Lage der Karten angewiesen sind und vom Glück abhängen, Patiencen, zu denen Kombinationsgabe und Glück gehören und diejenigen, für die man strategische Denkarbeit und geschickte Spielweise einsetzen muß. Patiencespielformen und -Spielarten sind oftmals Familientradition, ihre Namen stammen häufig vom Patienceübermittler und erhalten sich so über viele Generationen. So wird man beim Austausch von Patiencen darauf gefaßt sein müssen, daß zum Beispiel die eigene „Dexelmann'sche“ mit der Bildergalerie identisch ist oder die Acht mal Acht für einen selbst die „Leist'sche“ bedeutet. Die Regeln der einzelnen Patience können gelegentlich auch Unterschiede aufweisen. Das liegt daran, daß fest umrissene Vorschriften (wie bei anderen Kartenspielen) für Patiencen nicht existieren.
Ein berühmter Zeitgenosse, der sich zum Patiencespielen bekannte, war Charles de Gaulle. Mit allen anderen Patiencespielern stimmte er in seiner vorbehaltlosen Treue zu den Patiencekarten überein. Kein Patiencefreund wird je darauf verzichten, immer ein Kartenspiel bei sich zu haben, ob er sich zu Hause, im Urlaub, im Krankenhaus oder sonstwo aufhält. Nicht noch so viele Bücher und Zeitschriften vermitteln die abwechslungsreiche Anregung wie das immer wieder neue Spiel mit Patiencekarten. Wenn man sich klarmacht, daß ein einfaches Spiel von 52 Karten an Kombinationen eine Zahl mit 68 Stellen ergibt, wird einem die Vielfalt klar, die der Beschäftigung mit den relativ billigen, kleinen, bunten Kartenblättchen innewohnt.
Es ist jedem Spieler selbst überlassen, wie er seine Patiencen legt. Einfache und leichte, schwierige und komplizierte, zum Zeitvertreib, zur Anregung oder zur Ablenkung von trüben Gedanken, in räumlicher Enge oder in befreiender Weite, in der Nähe von Mitmenschen oder in Einsamkeit, bei Sonne oder Regen, für sich allein oder als Lehrmeister für neue Patiencefreunde. Es hat auch jeder Spieler seine eigenen Ansichten, ob er Patiencen legt um des Spielens willen, oder ob er Patiencelegen als Orakel benutzt, um vom Aufgehen oder Nichtaufgehen Wunscherfüllungen abhängig zu machen. Mit Wahrsagen hat Patiencespielen aber nicht das geringste zu tun, wie fälschlicherweise im Zusammenhang mit Kartenlegen manchmal angenommen wird.
„Patience“ ist das französische Wort für das deutsche Wort „Geduld“. Patience vermittelt bei den Spielen, die diesen Namen tragen, aber außer Geduld Spannung und Entspannung, Abregung und Anregung, Freude und Trost. Für den guten Patiencespieler ist es nicht unbedingt wichtig, daß eine Patience aufgeht. Ihm kommt es auf das Spielen, das Beobachten und Berechnen an. Natürlich ist die Freude groß, wenn sich die eigene Spielkunst und die günstige Kartenlage verbinden und der ruhige Kopf und die geschickte Hand durch ein erfolgreiches Spielende belohnt werden.
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